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Ein Blick auf die Projektträgerschaft KoPa 35c Modul a2

Digitalisierung der Fahrzeugbranche

Mit der Fördermaßnahme (KoPa 35c Modul a2) zur Digitalisierung der Fahrzeughersteller und Zulieferindustrie beabsichtigt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) den digitalen Transformationsprozess der Fahrzeugbranche voranzutreiben. Als zuständiger Projektträger begleitet das VDI TZ seit 2021 diese für den Industriestandort Deutschland sehr wichtige Digitalisierungsinitiative. Über die Inhalte sprechen wir mit Ibrahim Karahodžić, VDI TZ Experte für Digitalisierung und Mobilität und stellvertretender Projektleiter für die Fördermaßnahme.

Hallo Ibrahim, schön, dass du Zeit hast. Erzähle uns doch bitte zu Beginn: Worum geht es bei dieser Digitalisierungsinitiative?   

Sehr gerne. Nun, die Fahrzeugbranche steht aktuell vor tiefgreifenden Veränderungen. Die Herausforderungen sind vielfältig und betreffen neben dem Fahrzeug selbst auch die Produktionsprozesse der Hersteller und Zulieferer. Es wird immer wichtiger, dass Unternehmen flexibel und schnell auf neue Kundenwünsche reagieren und Störungen in der Lieferkette frühzeitig erkennen und beheben können. Gleichzeitig muss die Branche nachhaltiger werden, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Die Nutzung und das Teilen von Daten, auch über Unternehmensgrenzen und Wertschöpfungsstufen hinweg, spielen dabei eine zentrale Rolle.  

Die Digitalisierungsinitiative greift all das auf und fördert wirkungsvoll Forschungs- und Entwicklungsprojekte, welche die Implementierung von Industrie 4.0-Ansätzen in den komplexen Wertschöpfungssystemen der Fahrzeugbranche zum Ziel haben.

Industrie 4.0-Ansätze implementieren – was kann man sich darunter genau vorstellen? 

Ein wichtiges Beispiel ist die Implementierung interoperabler und vernetzter „Digitaler Zwillinge“, mit welchen sich dynamische Produktionsabläufe innerhalb von Unternehmen abbilden lassen. Darüber hinaus werden Verfahren der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens für Anwendungen wie „Predictive Quality” und „Predictive Maintainance” betrachtet: Zustandsdaten von Maschinen, Anlagen, Produkten und Prozessen sollen in Echtzeit erfasst und zur dynamischen Regelung von Prozessen genutzt werden können. Zudem soll durch die Etablierung vernetzter Wertschöpfungssysteme eine Analyse von Produktions- und Nutzungsdaten entlang der gesamten Lieferkette ermöglicht und damit die Transparenz sowie die Resilienz gegenüber Störungen erhöht werden. Digitale Plattformen und Ökosysteme bieten viele neue Möglichkeiten der unternehmensübergreifenden Kooperation. Eine wirtschaftlich erfolgreiche Umsetzung bedarf jedoch zunächst der Entwicklung unternehmensinterner und -übergreifender Strukturen zur vertrauensvollen Nutzung der Produktionsdaten. In den Projekten werden solche Ansätze zur kollaborativen Wertschöpfung experimentell umgesetzt und neue Geschäftsmodelle anwendungsnah erprobt.  

Das klingt überaus spannend. Seit drei Jahren ist das VDI TZ zuständiger Projektträger für die Fördermaßnahme. Werfen wir doch einen Blick zurück.  

In den drei Jahren haben wir viel bewegt: Bis Ende 2023 konnten wir 37 Verbundprojekte mit insgesamt 363 Teilvorhaben aufsetzen. Bei einem Gesamtvolumen von knapp 690 Mio. € haben wir Fördermittel in Höhe von ca. 351 Mio. € bewilligt. Für uns als Projektträger war das eine herausfordernde Aufgabe, die unser Team sehr erfolgreich bewältigt hat. 

Durch einen sorgfältigen Auswahlprozess haben wir es geschafft, aus insgesamt 160 Projektskizzen die besten Vorschläge auszuwählen und dabei ein sehr breites Spektrum von Anwendungsfällen abzudecken. Inhaltlich adressieren die Verbundprojekte eine Vielzahl an Schlüsselprozessen der Fahrzeugproduktion wie zum Beispiel Presswerk, Karosseriebau, Montage oder End-of-Line und dies entlang der gesamten Lieferkette bei Betrachtung unterschiedlicher Stufen des Produktentstehungsprozesses. 

Und wer ist alles dabei? 

In den Projekten sind alle namhaften deutschen Fahrzeughersteller, ein großes Netzwerk an Zulieferern sowie zahlreiche Ausrüster bzw. Technologieunternehmen vertreten. Daneben bringen auch zahlreiche Universitäten und Forschungseinrichtungen wichtige Kompetenzen in die Projekte mit ein. Mit einem KMU-Anteil von ca. 46 Prozent unter den geförderten Institutionen ist auch das erklärte Ziel einer starken Einbindung des Mittelstandes erfolgreich umgesetzt worden. 

Das klingt nach großer Innovationspower. Welche konkreten ersten Ergebnisse gibt es schon?  

Das Leuchtturmprojekt Catena-X, das im August 2021 als erstes Verbundprojekt gestartet ist, wurde vergangenen Monat erfolgreich abgeschlossen. Das Konsortium mit 27 Partnern, darunter BMW, VW, Mercedes, Bosch, ZF, Schaeffler, SAP, Siemens, T-Systems, Henkel und BASF, hat es geschafft, ein offenes kollaboratives Datenökosystem für die deutsche und europäische Automobilindustrie zu entwickeln und beispielhaft zehn industrierelevante Use Cases zu implementieren. Die Entwicklung der Standards für Daten- und Informationsflüsse entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette erfolgte dabei überwiegend auf Basis von Open-Source-Prinzipien. Eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte mit großer Signalwirkung für den Transformationsprozess der Automobilbranche in Deutschland und Europa. Auch Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck betonte die Bedeutung von Catena-X und bezeichnete das entwickelte Datenökosystem als Blaupause für die Vernetzung der gesamten deutschen Industrie. 

Neben Catena-X erwarten wir in den nächsten Jahren mit Spannung die Ergebnisse der restlichen 36 Forschungsvorhaben der Fördermaßnahme. 

Interessant. Wie lange begleitest du die Fördermaßnahme eigentlich schon und was fasziniert dich an deiner Arbeit am meisten? 

Ich bin seit 3 Jahren beim VDI TZ beschäftigt und begleite die Fördermaßnahme seit dem ersten Tag.  

Als Projektträger für das BMWK arbeiten wir an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft – für mich persönlich die ideale Spielwiese. Es wird nie langweilig und es gibt ständig neue Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung. Als gelernter Wirtschaftsingenieur für Maschinenbau habe ich zuvor bei einem Automobilhersteller gearbeitet, sodass die politische Ebene zu Beginn Neuland für mich war. Doch gerade dieser Aspekt hat mir zunehmend mehr gefallen, da er es erlaubt, sich neben technologischen Themen auch mit übergreifenden globalen Wirkungszusammenhängen auseinanderzusetzen.  

Vor allem bereitet mir aber der interdisziplinäre Charakter der Projektträgertätigkeiten und die Zusammenarbeit mit unserem hervorragenden Team sehr große Freude. Es gibt uns allen ein gutes Gefühl, mit unserer Arbeit einen Beitrag zur digitalen Transformation der deutschen Industrie leisten zu können. 

Und zu guter Letzt: What’s next?  

Die kurze Antwort lautet: Catena-X NEXT bzw. CX-NEXT!  

Den großen Erfolg von Catena-X haben wir zusammen mit dem BMWK und 15 Partnern aus dem ursprünglichen Konsortium zum Anlass genommen, ein Initiativprojekt auf die Beine zu stellen. Es ist unter dem Namen CX-NEXT am 1. August 2024 gestartet und soll als Nachfolgeprojekt das Catena-X Datenökosystem weiter ausbauen. Dabei werden drei Kernziele verfolgt: Stärkung der Kern-Services, Open-Source-Community-Building und Internationalisierung.  

CX-NEXT strebt dabei auch einen engen Austausch mit Projekten wie Factory-X, Aerospace-X und den anderen Datenrauminitiativen aus der Fördermaßnahme Manufacturing-X an.  

Ich freue mich sehr, das Projekt die nächsten zwei Jahre begleiten und von den Ergebnissen berichten zu dürfen. 

Vielen Dank für das Gespräch, Ibrahim. 

 

Mehr Informationen zu KoPa 35c 

BMWK-Broschüre „Zukunftsinvestitionen Fahrzeughersteller und Zulieferindustrie“ 

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